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BINDUNGSANGST - Wenn Liebe Angst macht

Autorenbild: Jacqueline DeissnerJacqueline Deissner

Manchmal kann es sich so anfühlen, als ob Nähe und Intimität in einer Beziehung etwas Bedrohliches wären.

 

Studien zur Bindungstheorie zeigen, dass etwa 50–60% der Erwachsenen einen sicheren Bindungsstil haben. Etwa 20–25% der Erwachsenen zeigen einen unsicher-vermeidenden Bindungsstil (Bindungsangst), bei dem Nähe und Intimität eher gefürchtet werden. Weitere 15–20% haben einen ängstlich-ambivalenten (Verlustangst) Bindungsstil, bei dem intensive Nähe gesucht, aber gleichzeitig starke Verlustängste empfunden werden ( vgl. Mikulincer und Shaver, 2007). Zusammenfassend lässt sich sagen, dass etwa die Hälfte aller Erwachsenen einen sicheren Bindungsstil aufweist, während die andere Hälfte einen unsicheren Bindungsstil zeigt.



Die Angst vor der Liebe (Bindungs- oder Beziehungsangst) entsteht oft durch innere Konflikte oder frühere Verletzungen. Obwohl Liebe als etwas Schönes empfunden wird, kann sie für manche Menschen bedrohlich erscheinen.


Bindungsangst erkennen.

Menschen mit Bindungsangst neigen dazu, ihre Beziehungsprobleme auf äußere Umstände zu schieben, anstatt ihre Angst vor Nähe zu erkennen. Sie sagen oft Dinge wie: „Ich habe nur noch nicht die/den Richtige/n gefunden“ oder „Ich bin zu beschäftigt mit Job oder anderen Verpflichtungen“. Diese Aussagen schützen sie emotional und schaffen Distanz. Hinter diesem Verhalten steckt oft unbewusst die Angst vor Intimität und Verletzlichkeit. Sie suchen nach Freiheit und Unabhängigkeit, um sich nicht mit ihren eigenen Unsicherheiten auseinandersetzen zu müssen.


Offene Kommunikation hilft, Bindungsangst zu erkennen.

Oft ziehen sich Betroffene zurück oder werden distanziert, wenn sie auf ihre Gefühle angesprochen werden. Manche reagieren abweisend oder brechen sogar abrupt den Kontakt ab (Ghosting). Das ist meist ein Schutzmechanismus, um sich nicht verletzlich zu zeigen. Ein bindungssicherer Mensch würde offen auf ein Gespräch über Gefühle reagieren, statt sich zurückzuziehen. Er spricht über seine Emotionen, sucht den Austausch und zeigt Bereitschaft, Nähe zuzulassen. Auch wenn es schwierig ist, setzt er auf Kommunikation, um Verständnis und Vertrauen in der Beziehung zu stärken.


Ursachen von Bindungsangst.

Die Gründe für Bindungsangst liegen oft in frühkindlichen Erfahrungen wie Trennungen oder Verlusten. Auch schmerzhafte vergangene Beziehungen können dazu führen, dass Menschen Angst vor erneuten Verletzungen haben und Nähe meiden. Oft sabotieren sie unbewusst ihre Beziehungen, um sich vor möglichen Enttäuschungen zu schützen. Das Motto lautet: Lieber verlassen, als verlassen werden:


  • Frühkindliche Erfahrungen (Das Innere Kind) Wenn du als Kind bereits Trennungserfahrungen gemacht hast, sei es durch Scheidungen, längere Krankenhausaufenthalte oder andere Trennungen/Verluste, kann das deine heutigen Gefühle beeinflussen.

  • Trennungserfahrungen in früheren Beziehungen

    Schmerzhafte Trennungen aus der Vergangenheit können ebenfalls dazu führen, dass du heute Angst vor Verlusten hast. Solche Erinnerungen können die Angst vor erneuten Trennungen verstärken und dich (unbewusst) dazu bewegen lieber alleine zu bleiben.

  • Schutzstrategien Deine Bindungsangst kann dich (oft unbewusst) dazu bringen, Beziehungen zu sabotieren, sie zu schnell abzubrechen oder dich ständig abzulenken, selbst wenn die Beziehung eigentlich gut ist. Diese Angst schützt dich vor Trennungen, da die Furcht vor dem Verlassenwerden häufig stärker ist als der Wunsch nach Nähe. Deine Psyche greift auf diese Bindungsangst zurück, um zu verhindern, dass du in eine verletzliche Situation gerätst. Es ist fast so, als würdest du lieber selbst gehen, als das Risiko einzugehen, verlassen zu werden.

  • Geringer Selbstwert

    Im tiefsten Inneren hast du das Gefühl, nicht genug zu sein, so wie du bist. Bevor der andere dich wirklich kennenlernt, ziehst du es vor, dich zurückzuziehen.


Für Betroffene.

All dies geschieht natürlich unbewusst. Wenn du immer wieder in dieselben Muster fällst und sich nichts verändert, ist es wichtig, deine blinden Flecken zu erkennen. Bindungsangst ist tief in der Psyche verwurzelt, kann aber durch Selbstreflexion und Geduld überwunden werden. Es erfordert Mut, sich den eigenen Ängsten zu stellen und sich emotional zu öffnen. Der Glaube an die eigene Wertigkeit ist der Schlüssel, um tiefere und erfüllendere Beziehungen zu führen.


Für Partner:innen.

Um deinen Partner mit Bindungsangst zu unterstützen, ist es wichtig, zunächst deine eigenen Bedürfnisse zu erkennen und emotionale Grenzen zu setzen. Nur so kannst du bewusst und frei entscheiden, ob du gemeinsam mit deinem Partner den Weg weitergehst oder dich für eine Trennung entscheidest. Geduld, klare Kommunikation und ein liebevolles Verständnis sind ebenfalls entscheidend, um den Raum für Veränderung zu schaffen. Letztlich kannst du deinen Partner nicht „retten“, aber du kannst ihn auf seinem Weg begleiten.


Alles kann, nichts muss.

 
 
 

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